Über die Pfarrkirche Sankt Georg in Seelscheid

Die katholische Pfarrkirche St. Georg befindet sich im Zentrum des alten Ortskerns „Berg Seelscheid“, der durch den Wenigerbach vom Ortsteil „Dorf Seelscheid“ mit der evangelischen Kirche getrennt wird.
Die baugeschichtlichen Wurzeln der kleinen Kirche auf dem Berg reichen bis ins 12./13. Jahrhundert zurück. Aus dieser Zeit stammt der aus heimischer Grauwackesteinen gemauerte Turm, der zugleich das älteste erhaltene Bauwerk des Ortes ist. Eine vermauerte Tür an der Nordseite des Turmes zeigt noch heute, dass eine bauliche Verbindung zu einer Burganlage bestand, von der es heute keine Spuren mehr gibt. Unter dem heutigen, 1857 bis 1859 im neugotischen Stil errichteten Kirchenschiff befinden sich die Grundmauern von zwei kleineren Vorgängerbauten. Der gesamte Bau ist nach Osten, zum Morgenlicht hin, ausgerichtet.
 
Die Gestaltung der Kirche mit Fenstern, Altären und Statuen ist Ausdruck einer langen Tradition. In Bildern und Skulpturen werden verschiedene Aspekte christlichen Lebens und Glaubens vorgestellt. Am Eingang zur Turmkapelle steht die Bronzefigur des hl. Antonius von Egino Weinert (1978). Sie zeigt den Kirchenlehrer Antonius von Padua. In seiner linken Hand hält er ein Buch, auf dem das Jesuskind mit ausgestreckten Armen sitzt. Zu Füßen des Antonius drängen sich bittende Menschen. Ihnen hält er ein Brot entgegen. Diese Skulptur erfüllt zwei Funktionen: zum einen als Andachtsbild mit Opferkerzen, zum anderen erinnert sie an das Vorbild des Heiligen für ein Leben nach der Heiligen Schrift und in tätiger Nächstenliebe.
Die Turmkapelle selbst dient traditionell als Ausstellungsort für die Pieta, die Darstellung der trauernden Maria mit dem toten Jesus auf dem Schoß. Die hiesige Turmkapelle ist seit 1956 zugleich Gedenkstätte für gefallene Seelscheider Soldaten. Die Thematisierung des Todes in der Turmkapelle im Westen wird der helleren, lichteren Gestaltung des Chores im Osten gegenübergestellt. Aus Tod und Trauer wird durch den Erlösungstod Christi ewiges Licht für die Menschen. In diesem Sinnzusammenhang gehört auch die Aufstellung des Taufbeckens in der Turmkapelle. Taufe bedeutet Ablegen des alten Menschen und Eintritt in ein neues Leben im Lichte Jesu.
Das Erscheinungsbild des Kirchenschiffes ist klar und schlicht. Der Grundriss ist kreuzförmig und umschreibt damit das Kreuz als wichtigstes Symbol des Glaubens. Die weiß getünchten Wände werden durch die schlanken Spitzbogenfenster strukturiert, die ihrerseits von den Gewölbekappen des Kreuzrippengewölbes eingerahmt werden. Das Gewölbe ist im historisierenden Stil des 19. Jh. mit Blütenornamenten bemalt.
Auf den Langhausfenstern sind die vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes mit ihren Symbolen Engel, Löwe, Stier und Adler zu sehen. Die Ornamente der 1911 eingesetzten Fenster entsprechen dem neugotischen Stil des gesamten Raumes. Das bescheidene Maßwerk schließt mit einem einfachen Kleeblatt ab. Die meisten Ornamente sind auf das Glas gemalt. Die Darstellung der Evangelisten auf den Langhausfenstern charakterisiert die Kirche als Ort der Verkündigung des Evangeliums.
Zwei geschnitzte Standfiguren an der Süd- und Nordwand des Langhauses bringen einen weiteren Aspekt hinzu. Im Norden ist Maria mit dem Kind in der Haltung der Himmelskönigin, im Süden ist Petrus mit dem Himmelsschlüssel als Wächter des Paradieses dargestellt. Die beiden Skulpturen stehen für die Verheißung des himmlischen Lebens nach dem Tode.
Vor der Chorapsis liegt das Querhaus. Die beiden neugotischen Seitenaltäre stammen wie der Hochaltar von den Gebrüdern Klein aus Köln. Über der Mensa, dem Altartisch, erhebt sich ein baldachinartig gestalteter Überbau mit goldverziertem Gesprenge. Der nördliche Seitenaltar ist Maria, der südliche Josef geweiht. Beide Heiligen sind als Standfiguren zu sehen. Maria ist mit weißem Gewand und blauem, sternenbesetztem Mantel dargestellt. Dabei steht die Farbe weiß für Reinheit und Unschuld; Blau ist die Farbe des Himmels. Das Attribut des hl. Josef ist der erblühende Stab. Solch einen Stab hatten nach den Quellen alle zwölf Bewerber um Maria im Tempel abgegeben. Da nur sein Stab erblühte, wurde er ausgewählt und mit Maria vermählt.
Die Fenster des Querhauses bilden mit den Seitenaltären eine thematische Einheit. Im Norden ist die Geburt Christi abgebildet. Sie bedeutet nicht nur den Beginn der Heilgeschichte, sondern auch das wichtigste Ereignis im Leben Marias. Neben dem Josefsaltar zeugt die Darstellung des Todes des hl. Josef auf dem südlichen Querhausfenster von der besonderen Verehrung für den Heiligen.
Der Chorraum wird durch hölzerne Chorschranken vom Kirchenschiff getrennt. Altar und Ambo sind ebenfalls mit neugotischen Elementen gestaltet. Vom Kirchenschiff aus kaum sichtbar sind die beiden kleineren Fenster des Chorjoches. Im Norden ist die Brotvermehrung, im Süden das Emmausmahl dargestellt. Alle vier Evangelistenberichten darüber, dass Jesus mit wenigen Broten tausende Menschen speiste, nachdem er die Brote gesegnet hatte. Auch die zwei Jünger in Emmaus erkannten Christus daran, dass er das Brot segnete. Die Segnung des Brotes im Gedanken an Christus wird vom Priester in der eucharistischen Messfeier wiederholt.
Die Fenster der Chorapsis bilden wiederum eine Einheit mit dem Hochaltar. Das Erlösungswerk Christi wird in drei Szenen zusammengefasst. Links neben dem Hochaltar ist das Gebet im Garten Gethsemane dargestellt, wo Jesus den bitteren Kelch seines Leidens und Sterbens angenommen hat. In der Mitte befindet sich der Kreuzestod, rechts daneben auf dem Fenster der Sieg über den Tod durch die Auferstehung.
Zielpunkt der gesamten Errichtung ist der Hochaltar. In der Symbolik des Kirchbaus gilt der Hochaltar als der Thron Christi. Wie bei den Seitenaltären erhebt sich über dem Altartisch ein architektonisch gegliederter Aufsatz, dessen Formen jedoch vielfältiger und prachtvoller sind. Zierliche Säulen tragen Baldachine mit goldverziertem Gesprenge und hochragenden Turmspitzen. So entstehen Nischen und Bögen als Hintergrund für die Figuren. Das optische Hauptgewicht liegt auf der oberen Zone mit der von zwei Heiligenfiguren flankierten Kreuzigungsgruppe. Bei den Heiligen handelt es sich links um Georg, rechts um den hl. Andreas mit seine Attribut, dem Andreaskreuz. Beide sind Pfarrpatrone. Georg war römischer Soldat, was an der Kleidung der Seelscheider Figur gut zu erkennen ist. Er wurde 303 enthauptet und seitdem als Märtyrer verehrt. Dass die hiesige Pfarre ihm geweiht ist, mag damit zusammenhängen, das die Kirche zunächst Burgkapelle war. Zahlreiche Burgkapellen sind dem hl. Georg geweiht. Auch das Patronat des Apostel Andreas, des jüngeren Bruder des Simon Petrus, ist ein Hinweis auf die Geschichte des Ortes. Die Seelscheider Pfarre war dem Kloster St. Andreas in Köln gegenüber zehntpflichtig.
Im Mittelpunkt des Hochaltares hebt sich der Körper des gekreuzigten Christus durch die helle Farbgebung von den dunklen Nebenfiguren Maria und Josef ab. Schon beim ersten flüchtigen Blick in den Chorraum fällt der Blick des Betrachters direkt auf Christus. Dieser befindet sich im Zentrum der Kirche und wie auch des Glaubens, der in diesem Gebäude dokumentiert und veranschaulicht wird. Die Kreuzigungsgruppe in Seelscheid spiegelt weniger Trauer über den Tod als vielmehr Erfurcht und Glaube wieder. Maria ist im Gebet versunken und Johannes blickt beinahe staunend auf Christus. Dieser Tod bringt nicht das Dunkel der Verzweiflung, sondern das Licht des Ewigen Lebens. Die reichen Schmuckformen tragen das ihre zur Verherrlichung des Kreuzes bei. Hier wird bildlich dargestellt, was im Gottesdienst gebetet wird: „Deinen Tod, oh Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir.“

(Beate von Berg)

Die Pfarrkirche steht für einen Besuch täglich offen.